Umwelt
Johannes Küstner, Leiter Nationaler Straßengüterverkehr | Umwelt
Wie gelingt die Transformation zum CO2-freien Straßengüterverkehr?
Gibt es ein wirkliches Interesse in der verladenden Wirtschaft an klimaneutralen Transporten?
Bislang meist nur vordergründig und überwiegend beim Transport konsumnaher Produkte oder zur Herstellung des eigenen grünen Images. Das liegt auch daran, dass der Anteil der Emissionen bei der Beförderung an den Gesamtemissionen während des Lebenszyklus eines Produkts in der Regel gering ist. Dominierend bei Ausschreibungen sind nach wie vor Preis, Zuverlässigkeit und Flexibilität. Doch selbst bei sehr hohen Ansprüchen an eine nachhaltige Logistik ist auch den Speditionskunden aus Industrie und Handel bewusst, dass die technologischen Voraussetzungen für einen Nullemissions-Transport noch bei keinem Verkehrsträger bestehen. Die Logistik braucht vor allem das technische Rüstzeug für eine CO2-freie Leistungserbringung.
Welches ‚Rüstzeug‘ zur CO2-freien Leistungserbringung braucht die Logistikbranche?
Die Speditionsbranche ist natürlich grundsätzlich handlungsfähig. Durch kontinuierliche Optimierung der logistischen Prozesse trägt sie selbst bereits entscheidend zur Verkehrsvermeidung und damit zur Emissionsreduzierung bei. Dies schließt auch den wachsenden Einbezug der Schiene und der Binnenschifffahrt in Lieferketten ein. Ihre Organisationskompetenz kann die Logistik vor allem mit Hilfe der Digitalisierung noch weiter entwickeln und stärken.
Die Logistikbranche hat die spezifischen CO2-Emissionen auch bereits deutlich verringert. Allerdings wurde sie in den vergangenen Jahren vom eigenen Erfolg überholt, denn die absoluten CO2-Emissionen des Güterverkehrs nahmen durch den konstanten Anstieg der Verkehrsleistung aller Verkehrsträger stetig zu. Zu den international vereinbarten CO2-Reduktionszielen, zu denen sich die Logistikbranche ausdrücklich bekennt, kann sie deswegen nur mit Hilfe eines grundlegenden Wandels alternativer Fahrzeug- und Antriebstechnologien sowie postfossiler Energien beitragen. Hierfür braucht sie die Unterstützung der Herstellerindustrie und der Energiewirtschaft.
Bislang haben die Förderimpulse der Bundesregierung weder für die erforderlichen Technologiesprünge bei schweren Nutzfahrzeugen noch für den Aufbau einer Tank- und Ladeinfrastruktur für regenerative Energien gesorgt. Deshalb ist neben dem EURO VI-Dieselantrieb derzeit der LNG- oder CNG-Lkw immer noch die beste Option für den schweren Fernverkehr. Große Hoffnungen setzt die Branche jetzt in die Umsetzung des ‚Gesamtkonzepts klimafreundliche Nutzfahrzeuge‘ des Bundesverkehrsministeriums (BMVI).
Welche alternativen Antriebstechnologien wird die Logistik in Zukunft einsetzen?
Es ist von einem Technologiemix auszugehen. Für urbane und regionale Verkehre werden sich wohl batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) durchsetzen, für längere Distanzen dürften dies nach aktuellem Stand Wasserstoff-Lkw sein, obwohl auch hier mittelfristig BEV zum Einsatz kommen könnten. Das BMVI bezieht in sein Gesamtkonzept auch Oberleitungs-Lkw mit ein. Diese dürften aber nur einen beschränkten Einsatzradius auf ausgewählten Strecken zwischen Industrie- und Handelszentren sowie Häfen haben. Es wird eher schwierig, hierfür eine europäische Oberleitungsinfrastruktur zu errichten. Das dynamische Laden per Oberleitung bleibt allerdings eine interessante Option. Entscheidend für den klimaneutralen Einsatz der alternativen Technologien bleibt die Produktion von regenerativem Strom bzw. Wasserstoff und ein europaweit standardisierter Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur. Hier muss die Energiewirtschaft eine aktive Rolle spielen.
Welche Rolle spielt staatliche Förderung bei der Transformation des Straßengüterverkehrs?
Die entscheidende Stellschraube für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs ist der zügige Aufbau einer nachhaltigen staatlichen Förderkulisse. Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Marktrisiken bei der Einführung alternativer Lkw-Antriebstechnologien abgefedert werden und für die Wirtschaft Investitions- und Planungssicherheit entsteht. Damit schafft das Ministerium die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit für die Unternehmen der Logistikbranche. Erfreulich ist deshalb die Zusage des BMVI, den Markthochlauf für Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben bereits bis 2023 mit 1,16 Mrd. Euro zu fördern und im Anschluss fortzuführen. Hierdurch sollen Kaufanreize für Speditionshäuser mit eigenen Fuhrparks entstehen und verhindert werden, dass die Herstellerindustrie in Sackgassen-Technologien investiert. Der Ansatz des BMVI, die jeweiligen alternativen Antriebstechniken für die unterschiedlichen Einsatzfelder der Logistik zu erproben, bevor konkrete Förderentscheidungen getroffen werden, ist richtig.
Wird das BEHG die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs beschleunigen?
Davon ist zunächst nicht auszugehen. Denn die politisch angestrebte Lenkungswirkung wird unmittelbar nicht eintreten können, da es für den Fernverkehr noch keine serienreifen alternativen Antriebe gibt und die Schiene noch Jahre bis zu ihrer Ertüchtigung braucht. Dadurch wird das Emissionshandelssystem zunächst nur zu einer zusätzlichen Kostenbelastung und entzieht der Speditionsbranche vielmehr Investitionsrücklagen für die zukünftige Anschaffung eines Fuhrparks mit alternativen Antrieben. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) als Ausführungsgesetz des nationalen Emissionshandels wird den Dieselpreis bereits zum 1. Januar 2021 um bis zu 8 ct/Liter verteuern. Dies sind im Schnitt bis zu 2.500 Euro höhere Betriebskosten pro Lkw im Jahr 2021. Die Umwelt profitiert hiervon erstmal nicht.
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