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Frank Huster, Hauptgeschäftsführer

Welchen Einfluss hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf die Logistikbranche?

Was regelt das LkSG?

Im Kern müssen alle Unternehmen, die im Inland mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen, dafür sorgen, dass Menschenrechtsverletzungen in den Arbeitsprozessen ausgeschlossen werden. Hierunter fallen Kinder- und Zwangsarbeit, die Nichteinhaltung von Arbeits- und Umweltschutzpflichten, die Verhinderung von Arbeitnehmervertretungen und das Vorenthalten eines angemessenen Lohns. Hierfür müssen die vom Gesetz erfassten Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einführen und Managementsysteme implementieren, um entsprechende Risiken zu identifizieren und einzudämmen. Darüber hinaus sind neben einer Grundsatzerklärung jährlich Berichte über die Erfüllung der menschenrechtsbezogenen Sorgfaltspflichten zu veröffentlichen.

 

Menschenrechtsverletzungen auszuschließen, sollte selbstverständlich sein. Worin liegt das Problem?

Ausbeutung und Arbeit in einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen oder unter Zwang sind illegal. Da gibt es keine Diskussion. Diese Schutzziele sind nicht nur in der EU seit Jahren gesetzlich definiert, und Verstöße sind strafrechtlich relevant. Das LkSG verlangt von auftraggebenden Unternehmen jetzt aber einen tieferen Blick in die Lieferketten. In die Vorsorgemaßnahmen müssen deshalb auch Dienstleister und Zulieferer einbezogen werden, und zwar weltweit. Dies ist mindestens ethisch richtig und bis zu einem gewissen Grad auch zumutbar, doch bei weitverzweigten Lieferketten mit Unterauftragnehmern und Sub-Dienstleistern außerhalb der EU stößt die Umsetzung an praktische Grenzen. Problematisch ist auch, dass das LkSG ein deutsches Gesetz ist und nur die hier ansässigen Unternehmen adressiert. Damit haben sie im Vergleich zu ausländischen Marktbegleitern einen Wettbewerbsnachteil.

 

Wo liegen in der Logistik die besonderen Umsetzungshürden?

Ursprünglich zielte das LkSG gar nicht auf den Logistiksektor, differenziert aber auch nicht nach Branchen. Im Fokus des Gesetzgebers standen Industrieunternehmen, die auch in Entwicklungs- und Schwellenländern produzieren lassen, und der Groß- und Außenhandel. Unternehmen dieser Branchen reklamieren aber bereits zu Recht, dass sie selbst bei sorgfältigster Vorsorge nicht alle vom deutschen Gesetz geforderten Maßnahmen ergreifen können. Daneben gibt es eine große, nicht greifbare Grauzone. Um Risiken vollständig auszuschließen, bleibt manchmal nur der Rückzug aus diesen Ländern. Im Prinzip gilt das auch für die vom LkSG erfassten Logistikunternehmen, die kaum sicherstellen können, dass beispielsweise die Arbeiter in einem vom afrikanischen Korrespondenzspediteur beauftragten Umschlagsbetrieb oder die Seeleute auf einem gecharterten Schiff angemessen bezahlt werden.

In den Fokus ist die Logistik aber erst durch den Fall Gräfenhausen geraten, bei dem Lkw-Fahrer aus Drittstaaten gegenüber Presse- und Gewerkschaftsvertretern angaben, im Auftrag einer polnischen Spedition zu arbeiten und nicht bezahlt worden zu sein. In der Auftraggeber-Auftragnehmer-Kette forscht die LkSG-Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), jetzt auch nach Versäumnissen großer deutscher Logistikunternehmen als Auftraggeber von Transportdienstleistungen. Dabei ist bis heute ungeklärt, ob die Fahrer nach polnischem Recht als reguläre Arbeitnehmer oder als Scheinselbständige arbeiten oder in einem sonstigen Rechtsverhältnis zu der polnischen Spedition stehen. Das macht die Situation für die Fahrer nicht besser, aber wenn selbst das BAFA keine sachdienlichen Daten beschaffen kann, wie sollte es einem Speditionshaus in seiner Rolle als Auftraggeber gelingen? Bemerkenswert ist hierbei, dass das BAFA teilweise ohne substantiierte Begründung auch bei Speditionen ermittelt, die aufgrund ihrer Unternehmensgröße (weniger als 1.000 Beschäftigte) gar nicht unter den Anwendungsbereich des LkSG fallen.

 

Was sind die Konsequenzen für Speditionshäuser?

Gräfenhausen war sicherlich ein bedenklicher Fall im internationalen Straßengüterverkehr, doch sind die Konsequenzen hieraus auch für die mehrheitlich gesetzestreu arbeitenden Unternehmen sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Dienstleisterseite sehr sorgfältig abzuwägen. Verschiedentlich wird bereits die Auftragsvergabe auf Spot-Märkten im Lichte des LkSG unter Pauschalverdacht gestellt oder die weitere Zulässigkeit von Frachtenbörsen bezweifelt. Selbst politische Forderungen nach einem Unterauftrags- oder gar einem Werkvertragsverbot werden mit dem LkSG begründet. Das geht alles am Thema vorbei. Dennoch befindet sich die Speditions- und Logistikbranche bereits in einem Umsetzungsdilemma: Um compliant mit den LkSG-Anforderungen zu sein, überhäufen Unter-nehmen der verladenden Wirtschaft und vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasste große Logistikhäuser ihre nicht dem LkSG unterworfenen, mittelständischen Speditions-partner zunehmend mit Auditbögen und Fragekatalogen, die ihrerseits ihre Transportdienstleister einbeziehen müssen. Dadurch wächst der mittelbare LkSG-Adressatenkreis exponentiell und das Gesetz schwillt zu einem riesigen Bürokratieungetüm an. Von politischer Seite wird bereits ein zertifiziertes Gütesiegel für Transportdienstleister ins Spiel gebracht. Dies würde zwar auftraggebende Logistikunternehmen beim Dienstleister-Monitoring entlasten, der Bürokratieaufwuchs und die Kostenbelastung würde aber auf die KMU-Betriebe verlagert – genau auf die Unternehmen, die explizit nicht vom LkSG erfasst sind. Solche Ideen übersehen, dass der Zugang zum Straßengüterverkehrsmarkt bereits über GüKG- und CEMT-Genehmigungen, die u. a. Zuverlässigkeitsprüfungen voraussetzen und vom Auftraggeber in zumutbarem Umfang auch überprüft werden müssen, geregelt wird. Auch die in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) enthaltenen Compliance-Regeln sind hier eindeutig. Die Mindestlohn- und Sozialgesetzgebung, das Arbeitsschutzrecht und zahlreiche Vorschriften regeln zusätzliche Unternehmenspflichten im Detail. Am Ende würde ein LkSG-Dienstleister-Siegel auf einem Auditverfahren beruhen, das kein neues materielles Recht setzt, sondern lediglich die Rechtskonformität prüft. Also ein Zertifikat, das bestätigt, dass man die Gesetze einhält. Mehr Bürokratie ist kaum vorstellbar! Die Delegation staatlicher Kontrollaufgaben auf die Wirtschaft ist generell bedenklich - auch wenn das LkSG keine Garantiehaftung begründet und zu ergreifende Maßnahmen unter dem Vorbehalt der Angemessenheit und auch nur in Fällen zuvor identifizierter Risiken eingeleitet werden müssen.

 

Kann der Gesetzgeber hier noch nachbessern?

Das Gesetz zu entschärfen, dürfte politisch schwierig werden, zumal Deutschland mit dem LkSG die Blaupause für die bereits in Arbeit befindliche europäische Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) geliefert hat, die mit 500 Beschäftigten nach jetzigem Beratungsstand eine sogar noch niedrigere Eintrittsschwelle vorsieht. Hiergegen stemmen sich zahlreiche deutsche Wirtschaftsverbände, darunter auch der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Es ist aber fraglich, ob sich Deutschland im EU-Rat gegen die CSDDD stellt, da man die Büchse der Pandora mit dem LkSG ja selbst geöffnet hat und man mit der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in der EU ein gewichtiges Argument in die politische Waagschale legt. Die FDP folgt den Vorbehalten der Wirtschaft und sieht die CSDDD bereits äußerst kritisch. Die fachliche Zuständigkeit für das LkSG liegt beim heute grünen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Treiber für das von der Großen Koalition noch in der letzten Legislaturperiode verabschiedete Gesetz war das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Der nächste Ampel-Streit könnte vor-programmiert sein. Es ist bereits von einem deutschen LkSG-Entlastungsgesetz als Kompromiss die Rede. Vor allem kommt es darauf an, dass – auch von Seiten des BAFA – mit dem bestehenden Recht im Logistiksektor pragmatisch umgegangen wird.

 

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