Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht

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Positionen

Stellungnahme zum Konsultationspapier der Europäischen Kommission „Erste Phase der Konsultation der Sozialpartner gemäß Artikel 154 AEUV zu einer möglichen Maßnahme zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit gerechten Mindestlöhnen“

Die in der Speditions- und Logistikbranche beschäftigten Arbeitnehmer haben ein Anrecht auf faire und angemessene Arbeits- und Sozialbedingungen, die individualvertraglich oder durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sozialpartnerschaftlich auszuhandeln sind. Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V. unterstützt die Bundesregierung und die Europäische Kommission bei ihren grundsätzlichen Anstrengungen, sozialen Verwerfungen entgegenzutreten und die Beschäftigten in der Europäischen Union (EU) bei der Bewältigung der Herausforderungen durch Digitalisierung und demografischem Wandel zu unterstützen. Auch wenn sich das Gehalts- und Lohnniveau der Beschäftigten in der Speditions- und Logistikbranche in Deutschland bereits größtenteils deutlich oberhalb des Mindestlohnniveaus bewegt, sind staatliche Eingriffe in die Lohnfindung jedoch strikt abzulehnen und die Tarifautonomie der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als Sozialpartner zu respektieren.

Eine Initiative auf EU-Ebene für europäische Regelungen zur Festlegung von Lohnuntergren-zen ist weder angezeigt noch zielführend und aus verfassungsrechtlicher sowie ordnungspolitischer Sicht abzulehnen. Sofern die Arbeits- und Sozialbedingungen der Beschäftigten in der Speditions- und Logistikbranche nicht firmenindividuell ausgehandelt werden, gehört die Lohnfindung nicht in die Hand des Staates oder der Europäischen Union, sondern in die Hände der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als Sozialpartner. Nur diese können die regionalen Gegebenheiten vor Ort einschätzen, berücksichtigen und entsprechend in den ausge-handelten Arbeits- und Sozialbedingungen abbilden. Darüber hinaus differieren die Lohn- und Tarifstrukturen nicht nur innerhalb Deutschlands aufgrund regionaler Besonderheiten, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten der EU. Einige Mitgliedstaaten haben keine gesetzliche Lohnuntergrenze und unter den Ländern, die einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben, variiert dessen Höhe stark. Eine europäische Regelung zu Lohnuntergrenzen kann daher die Diversität der nationalen Lohnfestsetzungssysteme und Arbeitsbeziehungen weder berücksichtigen noch in der Höhe etwaiger Lohnuntergrenzen abbilden und würde somit zu einem massiven Wettbewerbsnachteil für strukturschwache Regionen führen.

Lohnfindung ist nationale Aufgabe und hier insbesondere Aufgabe der Sozialpartner. Mit europäischen Mindestlohnvorgaben würde die EU massiv in mitgliedstaatliche Kompetenzen eingreifen. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU schließt in Art. 153 Abs. 5 explizit eine Zuständigkeit der EU in Fragen des Arbeitsentgelts sowie des Koalitionsrechts aus.

Mögliche EU-Mindestlohnvorgaben stellen zudem einen massiven Eingriff in die verfassungsrechtlich (Art. 9 Abs. 3 GG) sowie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 28) verankerte Tarifautonomie dar. Demnach ist die Befugnis, dass die Arbeitgeberverbände gemeinsam mit den Gewerkschaften die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten unabhängig sozialpartnerschaftlich regeln, jeglicher staatlicher Einflussnahme entzogen. Staatlich verordnete Mindestlöhne schwächen die Stellung der Tarifvertragsparteien, verdrängen bestehende Tarifverträge und führen zu einer dauerhaften staatlichen Einflussnahme auf das gesamte Lohngefüge der Unternehmen der Branche.

Ein zentrales und EU-weites Mindestlohnregime würde ferner den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Gemeinschaft massiv einschränken und sich negativ auf den freien Warenverkehr auswirken. Die nach den derzeitigen nationalen Mindestlohnbestimmungen ohnehin schon geltenden Dokumentationspflichten würden weiter verschärft. Die Unternehmen der Speditions- und Logistikbranche werden mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen und Auftraggeber von Transportdienstleistungen mit schwer kontrollierbaren Haftungsverpflichtungen konfrontieren. Logistische Dienstleistungen würden in der Konsequenz weiter er-schwert, verteuert und mit zusätzlichen administrativen Belastungen überzogen.

Fraglich ist darüber hinaus, ob mit einer europaweit zentralen Diktion eines bestimmten Mindestlohnniveaus das beabsichtigte Ziel der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für die Beschäftigten in Europa überhaupt erreicht werden kann oder diesem Ziel nicht zuwiderläuft und geringqualifizierten Beschäftigten, mit multiplen Vermittlungshemmnissen und Langzeitarbeitslosen, den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erheblich erschwert oder sogar ganz verwehrt bleibt. Denn nur ein nationales Mindestlohnniveau, das die wirtschaftliche Leis-tungsfähigkeit des jeweiligen Mitgliedsstaats bzw. der jeweiligen Region berücksichtigt, eröffnet Menschen mit Vermittlungshemmnissen eine dauerhafte Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.

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